Nachdem im ersten Artikel das Grundverständnis von Ökosystemen sowie die Abgrenzung zu alternativen Kooperationsformen erläutert wurde, geht der folgende Text auf die verschiedenen Ökosystem-Arten sowie die unterschiedlichen Ökosystem-Strategien ein.
Business Ökosysteme können als eine Gruppe voneinander unabhängiger Unternehmen definiert werden, deren Zusammenspiel von komplementären Leistungen Netzwerkeffekte generiert und ein gemeinsames Nutzenversprechen erfüllt. Dabei wird im Folgenden zwischen Solution und Transaction Ecosystems unterschieden.
Abbildung 1 – Verschiedene Arten von Ökosystemen (Eigene Darstellung)
Wie der Name schon sagt, ist es das Ziel von Solution Ecosystems, eine kohärente Lösung zu entwickeln. Dabei übernimmt die Kernfirma die Orchestrierung der einzelnen Partner und stellt sowohl die Wertgenerierung als auch die gerechte Wertverteilung innerhalb des Ökosystems sicher. So verbinden beispielsweise Plattformen und künstliche Intelligenzen von Amazon, Google oder Apple verschiedene Komplemente aus den Bereichen der Beleuchtung, der Klimatisierung oder auch der Sicherheit zu einem Solution Ecosystem Smart Home.
Transaction Ecosystems hingegen basieren meist auf einer (digitalen) Plattform, die Anbieter und Kunden miteinander verlinkt. So ist das primäre Ziel, einen «Match» zu generieren. Ein bekanntes Beispiel dafür ist das Online-Portal für Buchung und Vermietung von Unterkünften Airbnb, das Anbietende von Unterkünften mit Kunden zusammenbringt und so zu einer Transaktion verhilft.
Unternehmen müssen also erstens festlegen, in welchem Typ Ökosystem sie partizipieren möchten. Zweitens haben sie die Möglichkeit, ihre Strategie innerhalb eines Ökosystems zu definieren. Es sind grundsätzlich vier strategische Optionen möglich (siehe Abb. 2). Diese werden einerseits durch die Komplexität der Beziehungen und andererseits durch den Grad an (In-)Stabilität des Geschäftsumfelds und dessen Reife geprägt. So macht es beispielsweise für ein Unternehmen in einem Umfeld mit stetem Wandel aber geringer Komplexität an Beziehungen Sinn, eine Nischen-Strategie zu entwickeln.
Nachfolgend werden die einzelnen Strategien kurz erläutert. Auf das von anderen Unternehmen unabhängige Commodity-Geschäft in einem stabilen Umfeld wird nicht eingegangen, da eine Ecosystem-Strategie hier irrelevant ist.
Abbildung 2 - Ökosystem-Strategien (Eigene Darstellung in Anlehnung an Iansiti & Levien, 2004, S. 74)
In der Keystone-Strategie versucht das Unternehmen durch Bereitstellen von Ressourcen, dem Vernetzen verschiedener Unternehmen untereinander sowie der Förderung von Innovationen und innovativen Technologien den Gesamtzustand des Ökosystems zu verbessern. Dabei ist die erste Anforderung in der Regel die Schaffung einer gemeinsamen Plattform. Als Beispiel dafür können sowohl Apple mit seinem App Store als auch Google mit dessen Play Store genannt werden. Die Stores dienen als Plattform für Applikationsentwickler und Kunden.
Bei einer hohen Komplexität der Beziehungen und grossen externen Vermögenswerten hingegen kann es Sinn machen, als physischer Dominator aufzutreten und im Gegensatz zur Keystone Strategie eher in klassischer Weise Einfluss auf das Ökosystem zu nehmen. So wird eine kritische Position ausgenutzt, um andere Unternehmen im Ökosystem zu erwerben oder deren Funktionen selbst auszuführen, um das Ecosystem schlussendlich zu besitzen.
Die meisten Unternehmen verfolgen aber die Nischen-Strategie. Dabei zielt das Unternehmen darauf ab, seine spezialisierten Fähigkeiten, die anderen Unternehmen als Komplemente dienen, zu verbessern. Diese Strategie nutzen beispielsweise Applikationsentwickler in den Solution Ecosystems von Apple und Google. Im Transaction Ecosystem von Airbnb verfolgen die Anbietenden der Mietobjekte ebenfalls die Nischen-Strategie.
Die Strategie innerhalb eines Ökosystems ist aber keinesfalls statisch und kann sich im Laufe der Zeit ändern. Als zusätzliche strategische Option kann auch ein Portfolio Approach praktiziert werden, indem ein Unternehmen grundsätzlich die Keystone-Strategie ausübt, aber gleichzeitig in einem anderen Ökosystem als Nischenakteur auftritt.
Nach den Erläuterungen zu den verschiedenen Ökosystem-Typen und den Strategien innerhalb derer, möchten wir im nächsten Artikel die Möglichkeiten zum Aufbau und zur Nutzung von Ecosystems im Healthcare-Sektor aufzeigen.
Mauro Osta
Weiterführende Literatur
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