Mit Networking und perfektem Dossier zur Interview-Einladung

Das Meistern der wichtigsten Hürden im Bewerbungsprozess/ Teil I

Eine Einladung für ein Job-Interview kann das erste Erfolgserlebnis Ihrer Neuorientierung darstellen. Diese haben Sie mit der Erkundung Ihrer Bedürfnisse, Begabungen und Wertvorstellungen gestartet. Anschliessend konnten Sie die sechs Dimensionen einer Stelle nutzen, um auf dieser Basis passende Job-Chancen aufzuspüren. Nachdem Sie diese Opportunitäten einem Reality-Check unterzogen hatten, fokussierten Sie auf die aussichtsreichen Positionen und starteten den Bewerbungsprozess.

In diesem Artikel wird beschrieben, wie Sie Ihre Chancen optimieren, damit möglichst viele Ihrer Bewerbungen zu Interview-Einladungen führen. Um zu durchschauen, was den Erfolg von Bewerbungen beeinflusst, ist es wertvoll, das Vorgehen der rekrutierenden Organisation zu kennen und zu verstehen, welche Hürden sie den Bewerbenden auf dem Weg zum Erstgespräch aufstellt. Diese Prozessschritte und Hindernisse sind in den meisten Organisationen ähnlich und können wie folgt aussehen:

 

Abbildung 1 – Der 1. Teil des Bewerbungsprozesses aus Sicht der rekrutierenden Organisation

Bei der Personalgewinnung arbeiten im Regelfall die Fachabteilung (Linie) und Human Resources (HR) zusammen. Die Linie bestimmt dabei massgeblich die Anforderungen. HR organisiert den Prozess, setzt mit der Fachabteilung das Stelleninserat auf, sorgt für dessen zielgruppengerechte Kommunikation und koordiniert die Bearbeitung der eingehenden Bewerbungsdossiers. Im nächsten Schritt erfolgt häufig durch HR die erste Vorselektion, in der die CVs geprüft und nicht passende Dossiers (C-Bewerbungen) aussortiert werden. Diese Vorselektion wird immer mehr durch Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt oder sogar autonom von der KI durchgeführt. Anschliessend prüft HR bei den verbliebenen Bewerbungen die ganzen Dossiers und wendet dabei Kriterien an, die im Artikel Reality-Check beschrieben sind. Als Ergebnis dieser Prüfung entsteht eine Longlist, die an die Fachabteilung zur Beurteilung übermittelt wird. Schlussendlich legen HR und die Linie gemeinsam fest, wer zu einem Interview eingeladen wird. Somit ist es für die Bewerbenden entscheidend, HR, die Fachabteilung und auch eine allfällige Künstliche Intelligenz zu überzeugen, um zu einem Interviewtermin zu gelangen.

Aus Sicht der Bewerbenden sind typischerweise die in der nachfolgenden Abbildung 2 dargestellten Schritte erfolgreich zu absolvieren, um eine Intervieweinladung zu erhalten. Die ersten beiden, grau eingefärbten Aktionen wurden bereits in den Artikeln «Gefunden werden» und «Reality Check für den Arbeitsmarkt» beschrieben. Die grün eingefärbten Prozessschritte (1A bis 4) und die dazugehörigen Erfolgsfaktoren werden nachfolgend erläutert.
 

Abbildung 2 – Der 1. Teil des Bewerbungsprozesses aus Sicht der Bewerbenden

1A. Informationen zu Firma/ Stelle beschaffen

Es lohnt sich, mit der vertieften Informationsbeschaffung bereits vor Erstellung des Bewerbungsdossiers zu beginnen, und nicht erst vor dem Vorstellungsgespräch. Damit wird die Basis erarbeitet, ein individuell abgefasstes und auf die Position passendes Bewerbungsdossier zu erstellen. Um zu den dafür notwendigen Informationen zu gelangen, sollten insbesondere die folgenden Themen untersucht werden:

Zur Firma:

  • Wie positioniert sich das Unternehmen?
  • Was ist die Value Proposition? 
  • Welche Produkte/ Dienstleistungen werden angeboten und was zeichnet diese aus?
  • Wie ist die Verfassung des Marktes und wie wird er sich entwickeln?
  • Wie ist die Marktstellung des Unternehmens, wer sind die wesentlichen Mitbewerber?
  • In welcher wirtschaftlichen Verfassung ist das Unternehmen?
  • Wer arbeitet in der Firma? 
  • Wie bin ich durch mein Netzwerk mit der Firma verbunden?

Zur Position

  • Was sind die wesentlichen Aufgaben und Anforderungen?
  • Was sind die grössten Herausforderungen und Erfolgsfaktoren?
  • Wie wird sich die Stelle entwickeln, was sind die Zukunftsaussichten?
  • Wer ist der/ die Vorgesetzte? Kenn ich sie/ ihn und gibt es gemeinsame Bekannte?

Als Ergebnisse dieser Recherche erhalten Sie nicht nur eine solide Basis zur Erstellung des Bewerbungsdossiers, sondern auch eine bessere Einschätzung, ob Sie zu Organisation/ Stelle passen und vice versa. Ebenso können Sie sich ein erstes Bild machen, welchen Nutzen Sie der Firma erbringen könnten.

1B. Netzwerk nutzen

Die Vorbereitungen für eine Bewerbung sollten nicht nur Desk-Research, sondern auch Interaktionen mit Ihrem Netzwerk beinhalten. Gut eingesetztes Networking kann Ihnen helfen, eine Chance für ein Vorstellungsgespräch zu erhalten, auch wenn Sie z.B. die Branche wechseln wollen und daher auf den ersten Blick nicht die ideale Besetzung sind.

Am besten starten Sie damit, Kontakte in Ihrem Netzwerk zu finden, die aktuell im Zielunternehmen arbeiten oder gut mit ihm verbunden sind. In der Folge können Sie diese Personen kontaktieren, um zu weiteren Informationen zu gelangen, die sie für die Aufbereitung Ihres Bewerbungsdossiers und die Vorbereitung für ein allfälliges Interview nutzen können. 

Zusätzlich können Sie auch versuchen, durch Networking positiv auf die Vorselektion einzuwirken. Im Idealfall bietet Ihnen eine Person aus dem Zielunternehmen an, eine Empfehlung für Sie abzugeben. Damit diese die gewünschte Wirkung erzielt, ist sorgfältig und achtsam vorzugehen und folgendes zu beachten:

  • Passende Adressaten bestimmen: Dazu besprechen Sie mit Ihrem Kontakt, an wen und auf welchem Weg die Empfehlung platziert werden soll. Zielführend sind Personen, die direkt in die Vorselektion involviert sind, also die Zuständigen aus HR und/ oder Linie, und die ihren Kontakt kennen. Optimal ist es, wenn Ihr Kontakt sich bereit erklärt, seine Referenz direkt und auf seinem bevorzugten Kanal (mündlich, via E-Mail, etc.) anzubringen. Alternativ ist es bereits hilfreich, wenn Sie Ihren Kontakt in Ihrem Anschreiben oder Motivationsbrief erwähnen dürfen.
  • Vorgaben und Prozesse einhalten: Im Stelleninserat ist angegeben, wie die Bewerbung eingereicht werden soll und welche Angaben und Unterlagen allfällig zusätzlich erwartet werden. Es ist wichtig, diese Punkte einzuhalten, damit die in die Vorselektion involvierten Personen alle notwendigen Informationen erhalten und nicht umgangen werden. Ihr Netzwerkkontakt sollte also Ihre Bewerbung im Regelfall nicht direkt im Unternehmen verteilen. Eine Ausnahme stellen Programme wie «Mitarbeitende werben Mitarbeitende» dar, die unten erläutert werden.
  • Mit Fingerspitzengefühl vorgehen: Es gilt zu vermeiden, dass eine vermeintlich gut gemeinte Empfehlung als unlauterer Druck oder unerwünschte Einmischung wahrgenommen wird. Besprechen Sie dieses Thema sorgfältig mit Ihrem Kontakt, der die Kultur und Gepflogenheiten des Unternehmens gut kennen und beachten sollte. Es ist wichtig, dass die Empfehlung von der empfangenden Person als solche interpretiert wird: Es geht also «nur» um einen Ratschlag, Ihre Bewerbung näher zu prüfen und nicht um eine Bitte oder gar Aufforderung, Sie – trotz allfällig besser qualifizierter Bewerbenden – einzustellen.
  • Feedback geben: Hilft Ihnen ein Kontakt, dann bedanken Sie sich und halten ihn zeitnah auf dem laufenden, wie sich Ihre Bewerbung entwickelt. Sorgen Sie für Transparenz, damit alle in die Stellenbesetzung Involvierten im Bild sind, mit wem Sie sich austauschen.

Einen Sonderfall stellen Programme mit Bezeichnungen wie «Mitarbeitende werben Mitarbeitende» oder ähnlich dar. Die Rekrutierung via die Belegschaft wird von zahlreichen Unternehmen gefördert, da die Bewerbenden bereits vorgeprüft sind. Mitarbeitende wägen genau ab, Empfehlungen abzugeben, da die Performance der Neueintretenden mit der eigenen Person verknüpft wird. Daher wird dieser Rekrutierungskanal oft auch finanziell unterstützt und gilt zudem als kostengünstiger wie z.B. die Rekrutierung via Personalvermittler oder Headhunter. Somit macht es Sinn, dass Sie Ihr Netzwerk auf eventuell vorhandene Rekrutierungsprogramme ansprechen. Falls diese existieren und Ihr Kontakt diesen Weg auch beschreiten will, wird er den Lead übernehmen und Sie informieren, wie gemäss dem Programm vorzugehen ist.

2. Dossier erstellen

Wenn Sie Ihr Dossier erstellen, nehmen Sie die Sichtweise der rekrutierenden Organisation ein und beachten dabei insbesondere die drei Hürden «Vorselektion», «Prüfung durch HR» und «Prüfung durch Linie», die am Anfang dieses Artikels beschrieben sind. Bei allen Entscheidungen, die Sie zur Gestaltung und zum Inhalt Ihres Dossiers treffen, sollten Sie jene Option wählen, die am besten hilft, diese drei Hürden zu überspringen.

Im Folgenden werden die wichtigsten Elemente eines Bewerbungsdossiers beschrieben und dabei erläutert, welche Punkte zu beachten sind, um die Chancen für eine Intervieweinladung zu maximieren.

 2.1 Lebenslauf (CV)

  • Vollständigkeit: Der CV dient in der Vorselektion häufig als alleinige Entscheidungsgrundlage und wird oft als einziges Dokument an weitere Personen zur Beurteilung weitergeleitet. Daher sollte er die Erfüllung aller geforderten Anforderungen dokumentieren. Es genügt nicht, einzelne Punkte nur im Motivationsschreiben aufzuzeigen, da dieses oft erst in einer späteren Phase gelesen und geprüft wird.
  • Positionierung und Fokus: Es empfiehlt sich, die im Stelleninserat geforderten Kenntnisse und Erfahrungen ausführlicher zu dokumentieren und dagegen die zwar vorhandenen, aber weniger geforderten Kompetenzen eher kürzer zu beschreiben. Erstellen Sie also für jede Bewerbung einen individuellen Lebenslauf und richten Sie die «Scheinwerfer» auf jene Elemente, die für die jeweilige Position eine hohe Relevanz haben. Fokus bedeutet auch, dass Ihr CV im Idealfall nicht mehr als zwei Seiten umfassen sollte. Je kürzer er ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass er vollständig gelesen wird.
  • Maschinenlesbarkeit: Der CV muss auch durch eine KI positiv beurteilt werden. Achten Sie also auf die richtigen Schlagworte und vermeiden Sie unübliche Abkürzungen. Weitere Hinweise finden Sie im Web unter dem Suchbegriff «CV-Parsing».

2.2 Motivationsschreiben

  • Individualität: Das Motivationsschreiben darf kein Standardbrief sein. Personaler merken es, wenn Sie eine allgemeine Vorlage verwenden und nur die Bezeichnung der Position und die Anschrift anpassen. Das Motivationsschreiben sollte auch nicht eine Fliesstext-Darstellung Ihres CVs sein. Wenn Rekrutierende nach Elementen Ihres Lebenslaufs suchen, nutzen sie den CV und nicht das Motivationsschreiben als Quelle.
  • Motivation: Wie es der Name sagt, sollte das Schreiben aufzeigen, warum Sie die betreffende Position motiviert und darstellen, warum Sie die richtige Person sind und zur Firma passen. Um diese Botschaften klar zu kommunizieren, können Sie Ihr Schreiben in drei Abschnitte gliedern:
    1. Warum interessiert mich gerade diese Firma/ Position?
    2. Wer bin ich? Warum bin ich die richtige Person?
    3. Warum passen wir zusammen?
  • Beispiele verwenden: Belegen Sie Ihre beschriebenen Kompetenzen mit Beispielen. Das macht Ihr Schreiben interessant und konkretisiert Ihre Kenntnisse und Erfahrungen.

2.3 Beilagen

  • Vollständigkeit: Dokumentieren Sie alle aufgeführten Tätigkeiten mit Zeugnissen, ebenso die aufgeführten Ausbildungsabschlüsse. Relevant sind jene Dokumente, die berufliche Positionen, Noten und Abschlüsse belegen. Blosse Teilnahmebestätigungen sind dagegen weniger wichtig. 
  • Nutzerfreundlichkeit: Halten Sie sich an die Vorgaben, in welcher Form die Beilagen erwartet werden. In den Bewerbungsportalen ist das in der Regel genau angegeben. Falls keine Angaben gemacht werden, können Sie auch alle Bewerbungsdokumente zusammenfassen und in einer einzigen Datei beilegen. Verwenden Sie sprechende Dateinamen, die auf den Inhalt und Ihre Person schliessen lassen. Auf keinen Fall sollten Sie mehrseitige Dokumente in Einzelseiten unterteilen; also z.B. ein dreiseitiges Arbeitszeugnis in drei einzelnen Scans beilegen. Alle eingelesenen Dokumente sollten einwandfrei erscheinen; also exakt ausgerichtet, in optimaler Auflösung und ohne störende Ränder aufbereitet sein.
  • Maximale Dateigrösse einhalten: E-Mail-Systeme verfügen oft über eine Obergrenze von z.B. 3 oder 4 MB und empfangen Nachrichten mit Anhängen nicht, die dieses Limit überschreiten.

2.4 Gesamtes Dossier

  • Qualität: Die eingereichten Dokumente dürfen keine Fehler enthalten. Lassen Sie CV und Motivationsschreiben von einer Vertrauensperson gegenlesen.
  • Einheitliche Struktur von neu nach alt: Es ist die gängige Praxis, immer mit der neuesten Station zu beginnen, sei es beim beruflichen Werdegang, wie auch bei der Ausbildung. Sorgen Sie auch dafür, dass die Reihenfolge Ihrer Beilagen der Reihenfolge im CV entspricht.
  • Schnelllesbarkeit: Personaler investieren in der Vorselektion häufig nur wenige Sekunden in ein Bewerbungsdossier. Erstellen Sie Ihre Unterlagen unter diesem Gesichtspunkt und sorgen Sie dafür, dass Ihre Dokumente möglichst in kurzer Zeit zugänglich sind und verstanden werden, indem sie z.B. Ihre Texte mit kurzen Inhalten und Aufzählungen (Bullet Points) darstellen und langen Fliesstext vermeiden. 

3. Dossier einreichen

Halten Sie beim Einreichen des Dossiers die angegebenen Vorgaben genau ein. Wenn die Einreichung auf einem Bewerbungsportal verlangt wird, muss die Bewerbung auch auf diesem Weg eingereicht werden. Achten Sie auf ein optimales Timing: Wenn Sie durch Ihr Netzwerk oder selbst Kontakte zu den rekrutierenden Personen hatten, sollten Ihre Unterlagen zeitnah (idealerweise innert 24 Stunden nach der Interaktion) bei den Zielpersonen eintreffen. So kann man sich an Sie erinnern und eine mögliche Empfehlung kann ihre optimale Wirkung entfalten.

Achten Sie darauf, dass auch Ihr LinkedIn-Profil aktuell und vollständig ist. Es kommt häufig vor, dass die Rekrutierenden LinkedIn aufrufen und einen Blick auf Ihr Profil und Ihre Aktivitäten und Beiträge werfen.

4. Erreichbar sein und rasch antworten

Nach dem Einreichen des Dossiers ist es wichtig, dass Sie auf den angegebenen Kanälen (E-Mail, LinkedIn, Telefon, Postweg, etc.) gut erreichbar sind und schnell antworten. Falls Sie einen Text für Ihre Sprachbox verwenden, sollte dieser in einen Business-Kontext passen, um bei einem Anruf einen professionellen Eindruck abzugeben. Ihre Möglichkeiten zum Nachfassen sind begrenzt. Es ist empfehlenswert, höchstens einmal nach ca. 2-4 Wochen nachzufragen, ob es schon neues zu Ihrem Dossier gibt. Als A-Kandidat oder A-Kandidatin bekommen Sie in der Regel relativ rasch eine positive Rückmeldung und als «C» oft zeitnah eine Absage. Als «B» befinden Sie sich in der Warteschlange und haben mehr oder weniger keine Handhabe, die Zeit bis zu einem Bescheid zu verkürzen.

Die Bewerbung auf eine Stelle beinhaltet vielfältige Herausforderungen, die Sie entweder allein oder mit Unterstützung angehen können. Sehr gerne stehen wir Ihnen mit unseren Angeboten zur Verfügung. Auf Wunsch helfen wir Ihnen bereits bei der Planung Ihrer Weiterentwicklung oder begleiten Sie bei Ihrer gesamten Neuorientierung. Haben Sie Interesse? Dann freue ich mich auf Ihre Kontaktaufnahme.

Dr. Ariel Hugentobler

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